Hinweis: Im Internet finden Sie unter daszwoelfer.de einen interessanten Überblick über 12 Museen im Landkreis Tirschenreuth, darunter auch das Museumsquartier in Tirschenreuth und das Gelebte Museum in Mähring.
Eine Heimatstube als Vorläufer
Im Lauf von 30 Jahren haben die Mitglieder des Heimatkreises Plan-Weseritz e.V. nach ihrer Vertreibung eine umfangreiche Sammlung von Gegenständen zusammengetragen und 1976 in Tirschenreuth als der Patenstadt des Heimatkreises in den Räumen des „Alten Klosters“ eine Heimatstube als Stätte der Erinnerung und Dokumentation eröffnet. Dieser Heimatstube waren ein Schriftgutarchiv und eine Bibliothek angeschlossen. Darin wurden Bücher und Aufzeichnungen in Handschrift oder mit Schreibmaschine aufbewahrt, in denen die Besucher ihre Kenntnisse zur Geschichte und Kultur des Egerlandes vertiefen und insbesondere Nachforschungen zu den Personen aus dem früheren, einem Landkreis im heutigen Sinn vergleichbaren „Politischen Bezirk Plan-Weseritz“ im Regierungsbezirk Eger nach dem Gebietsstand von 1945 anstellen konnten.
Eingerichtet und betreut wurde diese Heimatstube von Lehrer Willi Junker, der 1988 die Leitung der Einrichtung an Dr. Ralf Heimrath übergab.
Die Heimatstube diente alljährlich im Sommer bei den vom Heimatkreis Plan-Weseritz e.V. organisierten Heimattreffen neben der St. Anna-Kirche in Mähring im Landkreis Tirschenreuth als besonderer Anlaufpunkt. Dabei wurden in unregelmäßiger Folge in besonderen Ausstellungen Einzelthemen aus dem Museum aufgegriffen und den Besuchern gezeigt. Durch die regelmäßige Überlassung von Gegenständen aus der Erinnerungskultur wurde die Sammlung stetig erweitert. Eine sachgerechte Einlagerung und Präsentation war fast nicht mehr möglich. Immer mehr wurden eine Neuordnung und eine Neukonzeption notwendig.
Neukonzeption zum Museum
Nach jahrelangen Verhandlungen hat der Stadtrat von Tirschenreuth die Umgestaltung des „Alten Klosters“ zum Museumsquartier der Stadt Tirschenreuth beschlossen. Die Bestimmung dieses neu geschaffenen Museumsquartiers ist es, in Verbindung mit dem in der Nachbarschaft bestehenden Oberpfälzer Fischereimuseum die verschiedenen Sammlungen der Tirschenreuther Geschichte und Bevölkerung einschließlich der „Heimatstube“ des Heimatkreises Plan-Weseritz e.V. aufzunehmen.
Nun entstand in den Jahren 2006 und 2007 nach den Vorgaben des Museumsleiters ein Konzept, das von Dr. Josef Paukner aus Regensburg im Detail ausgearbeitet und immer wieder mit den Vertretern der Stadt Tirschenreuth und dem Museumsleiter aus dem Heimatkreis abgestimmt worden ist. Wichtige Gesichtspunkte der Neugestaltung waren das zur Verfügung stehende Platzangebot und die Finanzierbarkeit der Maßnahme. Die alte „Heimatstube“ wurde in „Museum des Heimatkreises Plan-Weseritz e.V.“ umbenannt. Für die Neugestaltung galten dabei nachfolgend genannte Grundgedanken:
Änderung der Zielgruppe der Museumsbesucher
Die demographische Entwicklung führt dazu, dass die Angehörigen derer, die das Leben im früheren Politischen Bezirk Plan-Weseritz bewusst wahrgenommen und die Flucht und Vertreibung des Jahres 1946 persönlich erlebt haben, zahlenmäßig immer weniger wird. Umgekehrt steigt die Zahl derer, die als Nachkommen der Vertriebenen ihre persönlichen Wurzeln zu erforschen suchen. Weiterhin ist 60 und mehr Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im öffentlichen Interesse das Thema Flucht und Vertreibung mehr als historischer Vorgang ins Bewusstsein gerückt, dessen direkte Betroffenheit durch eigenes Erleben in der politischen Diskussion im Zusammenhang mit der Normalisierung des nachbarschaftlichen Verhältnisses zu den Staaten des ehemaligen Ostblocks etwas zurückgetreten ist. Die zu den Ereignissen der Jahre 1945 und 1946 diskutierenden und reflektierenden Personen gehören großenteils einer anderen Generation an als diejenigen, die Flucht und Vertreibung erlebt und erlitten haben. Zudem ist nach der politischen Wende des Jahres 1989 auch bei den Bewohnern der Tschechischen Republik und hier insbesondere im Grenzraum zu Bayern eine neue Bereitschaft entstanden, über diese Zeit zu sprechen und die Wahrheit über diese Zeit zu suchen.
Um das Museum des Heimatkreises Plan-Weseritz e.V. zukunftsfähig machen zu können, mussten diese Veränderungen in der gegenwärtigen und künftigen Besucherschaft berücksichtigt werden. Das Museum ist nicht mehr in erster Linie Stätte der persönlichen Erinnerung, sondern mehr und mehr ein Ort des Sammelns und Bewahrens von Gegenständen der Erinnerung, deren Zeitzeugen weniger werden und deren Funktionszusammenhänge der Vergangenheit angehören. Die Dimension des „Geschichtlichen“ wird in dem Maße größer, als die Menschen aus jener Epoche weniger werden. Statt der Menschen müssen die Dinge zum Sprechen gebracht werden. Sie sollen das Leben der Menschen aus diesem Herkunftsgebiet dokumentieren und an nachwachsende Generationen beiderseits der Staatsgrenze vermitteln.
Präsentation der Museumsinhalte in einer modernen didaktischen Aufbereitung
In einem Museum mit zeitgemäßen Ansprüchen genügt es nicht, die Sammlungsgegenstände nach Themen sortiert in Vitrinen zu präsentieren und wie in der Zeit der Heimatstube mit den Namen der Leihgeber und Spender zu versehen. Die Präsentation soll im Interesse der veränderten Zielgruppenstruktur in einen Kontext eingebettet sein, der das Gebiet des früheren Politischen Bezirks Plan-Weseritz als Lebensraum vor Augen bringt, dessen Bewohner unter dem Druck der Verhältnisse auf der Grundlage der Benesch-Dekrete ihre Heimat verlassen mussten und zu einem Neuanfang diesseits der Grenze gezwungen waren.
Zur didaktischen Linienführung gehören im ersten Schritt Angaben zur geographischen Lage des Bezirks in der Mitte Europas, im Westen Böhmens und im Süden des zu Böhmen gehörenden Egerlands. Die bildlichen und textlichen Informationen beinhalten den ländlichen Siedlungsraum mit den beiden Unterzentren Plan und Weseritz und die landschaftlichen Gegebenheiten als Grundlagen für das Erwerbsleben der Bevölkerung. In diesem Kontext werden Ansichten der Siedlungen in ihrem früheren Zustand sowie die Arbeitsgeräte aus der Landwirtschaft und dem Handwerk gezeigt. Das Thema ist das Bauernland mit ländlichem Handwerk, Forstwirtschaft, einer kleinen Hausindustrie und Saisonarbeitern, die ihr Geld auswärts verdienen mussten.
In einem zweiten Schritt wird das Leben der Bewohner in diesem geographischen Raum dargestellt, ihre Gegenstände im häuslichen Zusammenleben, im religiösen und profanen Brauchtum, ihre Tracht und Kleidung und die Dinge, die mit einem bestimmten Lebensalter von der Kindheit bis zum Lebensende in Verbindung stehen.
Der nächste Abschnitt behandelt die Besiedlungsgeschichte der Region und steht in engem Zusammenhang mit dem eben genannten Lebensraum der Bewohner. Die im Bezirk (= Kreis) Plan-Weseritz beheimateten Menschen waren deutschsprachige Böhmen im südlichen Egerland, deren Vorfahren in den Jahrhunderten seit dem Hochmittelalter überwiegend aus der benachbarten Oberpfalz ins Land gekommen sind, um dort im Grenzgebiet zu Bayern auf Einladung der Landesherren zu roden und Siedlungen anzulegen. Sie befanden sich in ständigem nachbarschaftlichem Zusammenleben mit einem geringen Anteil von tschechisch sprechenden Böhmen, wobei der Bevölkerungsanteil der Deutschböhmen von West nach Ost abnimmt und umgekehrt der tschechische Bevölkerungsanteil zunimmt. Die Orts- und auch die Familiennamen bezeugen einen hohen Grad der Vermischung als Folge des Lebens in einer gemeinsam bewohnten Region. Zahlreiche deutschsprechende Familien führten einen slawischen Familiennamen so wie umgekehrt viele Tschechen in Böhmen nach Ausweis ihrer Familiennamen auch deutschsprachige Vorfahren haben.
Zu dieser Bevölkerungsgemeinschaft gehörte auch ein gewisser Anteil von Menschen mit jüdischer Religion, die sich selbst den Deutschböhmen zuordneten. Alle zusammen waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert Staatsbürger der österreichischen Monarchie, bevor 1918 die (erste) Tschechoslowakische Republik ausgerufen worden war.
Kennzeichen für die deutschsprachige Kultur des Landes sind schriftliche Zeugnisse, das Schul- und Bildungswesen, das Vereinsleben und vor allem das traditionelle Liedgut und die Mundart der Bewohner. Um dies zu vermitteln, werden im Museum im Kontext mit den Trachten und Musikinstrumenten mittels einer Hörstation gesungene und gesprochene Beispiele der Mundart und der gesungenen Lieder angeboten.
Im Zusammenhang mit der Darstellung der Bevölkerung wird auch thematisiert, dass das Zusammenleben in den hundert Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg nicht frei von nationalen Spannungen war. Die Bewohner des Landstrichs waren teilweise Betroffene der Minderheiten- und Nationalitätenpolitik in der jeweils herrschenden Staatsform.
Folgerichtig und notwendigerweise widmet sich das nächste Kapitel im Museum der Entwicklung unter dem Druck der tschechischen Staatsmacht und unter der Politik des Nationalsozialismus nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1938. Die Einheimischen wurden auf deutscher Seite in den Zweiten Weltkrieg einbezogen. Dieses dunkle Kapitel der Geschichte mündet nach der Niederlage und Kapitulation Deutschlands in die Vertreibung der jetzt als „Deutsche“ zu bezeichnenden Bewohner aus ihrer Heimat auf der Grundlage der Dekrete des tschechischen Staatspräsidenten Edvard Beneš. Gezeigt werden die persönlichen Habseligkeiten im Gepäck, die für die Ausgewiesenen verpflichtende weiße Armbinde mit der Aufschrift „N“ für Němec = Deutscher, der Koffer und Personalpapiere von Vertriebenen. Abbildungen von Eisenbahnzügen mit Menschen in Viehwaggons und die dazugehörigen Transportlisten verdeutlichen die Situation. Ausdruck der Veränderung soll auch die Farbgebung dieses Raumes sein: Das vormals bunte Leben mit Tracht, Tanz, Musik und Geselligkeit wird von Brauntönen überlagert, die schließlich in die Schwärze der Vernichtung übergeht. In dieser Düsternis betritt der Besucher einen engen Raum, der die Vertreibung aus dem politischen Zusammenhang herauslöst und mit den persönlichen Gegenständen personale Betroffenheit auslöst.
Die Stadt Tirschenreuth als Patenstadt des Heimatkreises Plan-Weseritz e.V.
Der größte Teil der heimatvertriebenen Bewohner des Bezirks Plan-Weseritz fand nach der Vertreibung in Bayern ein neues Zuhause. Die erste Haltestelle der Eisenbahnzüge war in Wiesau im Landkreis Tirschenreuth. Zahlreiche Menschen aus den Transporten haben sich in Tirschenreuth und Umgebung in unmittelbarer Nachbarschaft zur jetzt geschlossenen Grenze niedergelassen und dort neue Existenzen gegründet. Seit 1953 dienen darüber hinaus der Grenzort Mähring und die Stadt Tirschenreuth den „Plan-Weseritzern“ aus allen Richtungen als Anlaufstelle für ein alljährliches großes Heimattreffen, organisiert vom Verein „Heimatkreis Plan-Weseritz“. 1954 hat die Stadt Tirschenreuth feierlich die Patenschaft für die Heimatvertriebenen aus dem Kreis Plan-Weseritz erklärt.
In logischer Konsequenz zum vorherigen Abschnitt geleitet die Führungslinie den Museumsbesucher nun zu diesem Thema und zeigt in verschiedenen Exponaten die Aufnahme der Menschen in Bayern, insbesondere in Tirschenreuth, und die Verbundenheit der Plan-Weseritzer mit Tirschenreuth und Mähring. Der hier beginnende neue Abschnitt markiert das Ende des zuletzt schweren Weges durch das Museum und damit auch durch die Geschichte der betroffenen Menschen. Er greift aber auch den neuen Faden auf, der seit der Grenzöffnung nach der „Samtenen Revolution“ des Jahres 1989 Bestandteil des gemeinsamen Lebens und der gemeinsamen Geschichte ist. Diese Entwicklung prägt das Bild der Gegenwart und führt in die Zukunft.
Nachbarschaft
Das Thema „Nachbarschaft“ ist ein stringentes Motiv, das sich durch alle Bereiche des Museumskonzepts hindurchzieht. Nachbarschaft bedeutet sowohl ein Nebeneinander als auch ein Miteinander des Lebens in guten und schwierigen Zeiten.
Geographisch liegt der ehemalige Politische Bezirk Plan-Weseritz in der östlichen Nachbarschaft zu Tirschenreuth. Die Menschen diesseits und jenseits der Staatsgrenze sprachen im Berichtszeitraum dieselbe Mundart, sie pflegten dasselbe Brauchtum, sie hatten eine Alltagskultur, die sich nur in wenigen Feinheiten voneinander unterschied. Gleichzeitig befanden sich die Plan-Weseritzer im selben Staatsgebiet wie ihre tschechischen Nachbarn im Inneren Böhmens. Auch diese Form des Zusammenlebens wird im Museum thematisiert. Schließlich gehörten auch jüdische Mitbürger dazu, die das Bild vervollständigen und die bis in die Zeit des Nationalsozialismus ihren Anteil am gemeinsamen Leben hatten. Die beschriebenen nationalen Spannungen sind nachbarschaftliche Differenzen zweier ethnischer Bevölkerungsgruppen in einem gemeinsamen Staat.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung gewann das Wort „Nachbarschaft“ eine andere Dimension. Einerseits kannten die ethnische Ausgrenzung des Deutschtums und der im „Kalten Krieg“ eingerichtete „Eiserne Vorhang“ im wesentlichen nur die politisch gegensätzliche Nachbarschaft beiderseits der Staatsgrenze, andererseits entstanden in Aufnahmegebieten wie Tirschenreuth und Umgebung neue menschliche Nachbarschaften durch die Integration der Heimatvertriebenen. Auch dieser Aspekt wird im Museum deutlich gemacht. Die Plan-Weseritzer als frühere Nachbarn im Osten sind jetzt Nachbarn im eigenen bzw. neuen Wohnort, jenseits der Grenze gibt es neue Nachbarn, mit denen zu kommunizieren es vierzig Jahre lang bis 1989 kaum möglich war.
Das änderte sich in den Jahren 1989 und 1990. Mit der Öffnung der Grenze erwuchsen Kontakte der Bevölkerung zu den tschechischen Nachbarn, zu denen sich das Verhältnis im Lauf der Zeit normalisierte und deren Staat 2004 der Europäischen Union beitrat. Diese aus historischer Sicht neuen Nachbarn betrachten seit 1946 das Gebiet des ehemaligen Bezirks Plan-Weseritz als ihre Heimat. Auch sie interessieren sich zu einem gewissen Teil für die Kulturgeschichte ihres Lebensraumes. Auch ihnen kann das Museum des Heimatkreises Plan-Weseritz e.V. quasi in Form einer „Nachbarschaftshilfe“ Antworten auf zahlreiche Fragen geben. Dazu dient ein zweisprachiges deutsch-tschechisches Begleitheft mit allen Texten und Beschriftungen in der Dauerausstellung.
Gegenwart und Zukunft in Tirschenreuth
Das „Ankommen“ in der Gegenwart bildet das Ende der Führungslinie im Museum. Der Besucher befindet sich nun gedanklich wieder im Museumsquartier der Stadt Tirschenreuth mit seinen verschiedenen Aspekten und Sammlungsbereichen aus dem Grenzland in der Nachbarschaft zur Tschechischen Republik. Am Beispiel der Heimatvertriebenen aus dem Kreis Plan-Weseritz ist dieser Gang durch die Geschichte ein Weg aus der Vergangenheit heraus in die Gegenwart und in eine gemeinsame europäische Zukunft.Ralf Heimrath, 24.07.2013
Fotoausstellung
Im Jahr 1986 wurde die Fotoausstellung im Rathaus in Mähring eingeweiht. Viele Fotos zeigen das Leben vor der Vertreibung im Heimatkreis Plan-Weseritz. Bilder von Gebäuden, Landschaften, Kunstobjekten, aber auch Aufnahmen aus dem Alltag und dem regen Vereinsleben sind unschätzbare Dokumente.
Die Betreuung der Fotostube lag in all den Jahren in den Händen von Josef Baier, vor allem aber von Loni Baier und Marianne Kastl. Dies ist bemerkenswert, weil weder Loni Baier noch Marianne Kastl selbst Heimatvertriebene sind.
Inzwischen wurden die Fotos digitalisiert, so daß die Bilder auch nachgemacht oder in Publikationen verwendet werden können.
Nach umfassender Renovierung des alten Rathauses in Mähring wurde die Fotoausstellung beim St.-Anna.Fest 2016 wieder eröffnet. Die mehr als 3.500 Fotos sind nun über Monitore anzusehen, Fotobücher liegen zur Ansicht aus.
Neben unserer Fotoausstellung